Dienstag, 7. September 2010

Sommer 1959 - Radtour zum BODENSEE und 49 Jahre danach!

Schloss Laufen am Rheinfall
Es ist schon faszinierend, dass meine Frau, Jutta Hartmann-Metzger, "unbewußt" immerwieder Reiseziele auswählt, wo ich in meiner frühen Jugend schon einmal gewesen bin. So ging es mir kürzlich mit dem Ort Swinemünde (Polen), wo ich als kleines Baby mit meiner Mutter von Bord des Schnellboot-Mutterschiffes "TANGA" auf der dramatischen Flucht aus DANZIG Ende Januar 1945 gegangen bin. Ich entdeckte kürzlich autobiographische Notizen meines verstorbenen Vaters, der längere Zeit als Exerziermeister für die U-Boot-Bewaffnung in Swinemünde stationiert war. Daraus entstand mein spannender Reisebericht "SWINEMÜNDE - eine Etappe unserer Flucht aus DANZIG". Swinemünde


Bernd, Hans, Karl, Klaus (Autor)
Klaus, Hans und Bernd
Im Oktober 2008 verbrachten wir eine Woche (vom Montag, den 13. Oktober bis Sonntag, den 19. Oktober 2008) am Titisee im Schwarzwald. Auch hier konnte ich auf alten Spuren wandeln, denn ich war im Sommer 1959 zwei Tage (16. August bis 18. August 1959) mit meinen Freunden im Rahmen einer 14-tägigen Radtour  auf dem wunderschönen Camping-Platz am Titisee. Die Tour hatte am Samstag, den 15. August 1959, in Brühl bei Mannheim begonnen. Die erste Station war der Camping-Platz von Offenburg. Ursprünglich waren wir fünf Teilnehmer (Karl, Hans, Bernd, Jürgen und Klaus). Aber schon bei der Ankunft in Freiburg (am Sonntag, den 16. August 1959) gab es Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Weiterfahrt in den Schwarzwald. Wir wollten die "Höllentalbahn" (die auch  49 Jahre noch sehr interessant war) benutzen. Bernd und Jürgen nahmen die Strapazen mit ihren Rädern auf sich. Wir trafen uns am Camping-Platz von Titisee wieder. Da es uns dort gefiel, wollten wir zwei Tage bleiben. Bernd und Jürgen drängte es schon am nächsten Tag weiter. Nun bestand unsere Gruppe für den Rest der Tour aus drei Personen und das war gut so.
Mein Postsparbuch (1959)
Ich fand in meinem alten, abgelaufenen Postbarbuch interessante Hinweise über Abhebungen auf den verschiedenen Reisestationen. Aber es sind nicht nur die Beträge, sondern auch die Zeitpunkte der Abhebungen von Interesse. So konnte ich nach über 50 Jahren unseren Reiseverlauf zeitlich nachvollziehen. Der Bahnhof von Titisee, der auch heute noch wie damals aussieht, gewann für uns eine besondere Bedeutung. Beim Ausladen der Fahrräder aus dem Zug hatte Karl seine Kamera am Bahnhof vergessen. Einige Zeit später (nach dem Ende der Reise - ich weiß nicht mehr wann genau) erhielt Karl seine Kamera mit den entwickelten Bildern zurück. Mit der Kamera dürfte folgendes passiert sein: Der Finder hat die Bilder entwickelt und festgestellt, dass wir Radtouristen waren. Deshalb nahm er wohl Kontakt mit dem Camping-Platz in Titisee auf. Dort waren wir aber schon weitergereist. Aber unsere Anschriften lagen ja vor!
Karl und Klaus
Klaus beim Frühstück

Dem Camping-Platz galt auch mein erstes Interesse 49 Jahre später (am Dienstag, den 14. Oktober 2008). Ich konnte sogar den Platz am Ufer finden, wo ich mein Dreipersonen-Zelt für uns aufgeschlagen hatte. Die weitere Wanderung mit Jutta um den Titisee war beeindruckend in der herbstlichen Stimmung. Damals genügte uns ein Ausflug mit dem Ruderboot auf den See, um einen guten Überblick zu bekommen. Nach einem leckeren Essen mit einem herrlichen Ausblick über den See begaben wir uns wieder in das Gästehaus Bergseeblick und freuten uns schon auf den Ausflug nach Freiburg am kommenden Tag. Und Jutta erzählte ich Details von unserer Radtour vor 49 Jahren.

Campingplatz Titisee (2008)
Am Titisee (2008)

Eine besondere Überraschung war für uns im Jahre 2008 die kostenlose Benutzung von Bussen und Bahnen im gesamten Schwarzwald mit unserer KONUS-Gästekarte. Diese erhielten wir bei der Anmeldung in unserem Gästehaus. Das KONUS-Symbol machte die Schwarzwald-Gästekarte zu einem Freifahrausweis. So war die Benutzung der "Höllentalbahn" (in umgekehrter Richtung) schon ein besonders denkwürdiges Ereignis. Vom Freiburger Bahnhof war es nicht sehr weit bis zum Markplatz mit dem Freiburger Münster.
Stolpersteine in Freiburg

Unterwegs sah ich zum erstenmal zwei "Stolpersteine", die an die Judendeportationen im Dritten Reich erinnern sollen. Mich hat das besonders berührt, denn seit über 10 Jahren befasse ich mich als Hobby-Historiker mit dem weltbekannten Judenretter OSKAR SCHINDLER. Dieser hat seine letzten Lebensjahre unter Freunden in meiner Heimatstadt HILDESHEIM verbracht und ist hier am 9. Oktober 1974 im Bernward-Krankenhaus verstorben. Meine Bemühungen um das Ansehen Oskar Schindlers gestalten sich nicht sehr einfach. Aber vielleicht wird demnächst in Hildesheim sogar eine Schule nach ihm benannt. Oskar Schindler

Kurz nach der Rückkehr aus meinem Titisee-Urlaub wurden auch in Hildesheim die ersten "Stolpersteine" gesetzt. Und kürzlich fand eine größere Aktion vor dem hiesigen Goethe-Gymnasium statt. In Erinnerung an 15 Schülerinnen, die von den Nazis umgebracht wurden, plazierte man vor dem Eingang entsprechende "Stolpersteine" (es ist ganz sicher kein Zufall, dass mein Sohn Jochen im Goethe-Gymnasium 1990 sein Abitur gemacht hat). Als ich 1972 in Argentinien lebte und arbeitete, wußte ich nicht, dass Emilie Schindler verarmt in der Nähe (San Vicente) wohnte. Erst mit dem Kofferfund 1999 auf dem Dachboden eines Mehrfamilienhauses in der Hildesheimer Göttingstr. 30 wurde ich auf Oskar Schindler aufmerksam. Argentinien


Freiburger Münster

Während der Radtour 1959 fand die interessante Altstadt mit dem Freiburger Münster, dem Alten Kaufhaus und dem Markplatz nicht unser Interesse, denn wir fuhren sofort mit der "Höllentalbahn" zum Titisee weiter. Ich glaube, dass sich mein Neigung für historische Sehenswürdigkeiten erst später entwickelt hat. Als ich vor 10 Jahren im Vorruhestand mit meinen Reisevorträgen begann, las ich sehr viel über die weltweit von mir bereisten Länder. Diese Informationen sind auch in meine Reiseberichte eingeflossen.

Altes Kaufhaus
Nach dem Ausflug nach Freiburg, der sehr eindrucksvoll vor, wählten wir Basel am folgenden Donnerstag, den 16. Oktober 2008, als unser nächstes Reiseziel. Zuerst benutzten wir den Bus vorm Bahnhof Titisee in Richtung Zell im Wiesental. Den Anstieg oberhalb vom Titisee hatte ich noch von meiner Radtour vor 49 Jahren (am Dienstag, den 18. August 1959) schmerzlich in Erinnerung. In Zell wechselten wir in die bereitstehende S-Bahn nach Basel über.

Verwundert stiegen wir in Basel "Badischer Bahnhof" aus und fragten erstaunt nach dem Weg in die Schweiz. "Sie sind bereits in der Schweiz!" antwortete man uns. Nach einem ausgiebigen Fußmarsch in südlicher Richtung passierten wir zuerst das Messegelände und dann die Rheinbrücke. Nun waren wir uns sicher: "Das ist Basel in der Schweiz!" Der Besuch des Basler Münsters lud zur Meditation ein. Das war uns am Tag vorher im Freiburger Münster nicht vergönnt, denn die Türen waren verschlossen.

Auf dem Rückweg über die Brücke blickte ich in Richtung des Rhein-Oberlaufes, denn dort wollten wir zwei Tage später den "Rheinfall von Schaffhausen" besichtigen. Zur Abwechslung nahmen wir auf dem Heimweg die Route durch das Rheintal nach Freiburg. Die letze Etappe mit der "Höllentalbahn" führte uns wieder nach Hause zum Gästehaus Bergseeblick in Titisee (nach einem Fußmarsch über 400 m).
Rheinbrücke in Basel

Am Schluchsee

Am Freitag, den 17. Oktober 2008, wollten wir unbedingt den Schluchsee näher kennenlernen. Mit der Bahn fuhren wir die schöne Strecke vom Bahnhof Titisee zum Bahnhof Schluchsee. Die Nutzung der kostenlosen Transportmöglichkeiten machte uns beiden sehr viel Freude. Unser Opel Combo Tour, mit dem wir angereist waren, blieb die ganze Zeit auf dem Parkplatz vor unserem Gästehaus stehen. Wir waren die einzigsten Spaziergänger auf unserer Wanderung um den Schluchsee. Die Natureindrücke werden wir nie mehr vergessen. Leider hatte Jutta nicht ihre Wanderschuhe angezogen und sie bekam nach und nach Schwierigkeiten mit dem Gehen. Deshalb disponierten wir um und entschlossen uns, zum Feldberg zu fahren. Auf jeden Fall bleibt aber die vollständige Umrundung des Schluchsees auf unserer Liste für den nächsten Schwarzwald-Urlaub.


Am Schluchsee


Am Bahnhof Aha (oberhalb vom Schluchsee) stiegen wir wieder in die Bahn und fuhren bis zum Bahnhof Feldberg Bärental. Von dort brachte uns der Linienbus zum Feldberg. Mit der Seilbahn ging es auf den Gipfel (1.493 m Höhe). Wir genossen die herrliche Aussicht und fanden in der Ferne sogar den Titisee. In der Nähe des Feldbergs liegt der kleine Ort Todtnauberg (bei Todtnau). Dort verbrachte ich 1960 eine sehr schöne Freizeit in einem Schullandheim. Wir waren zwei Klassen von der Mittelschule Schwetzingen. Sehr interessante Ausflüge gab es nach Grindelwald (mit einer Übernachtung in der dortigen Jugendherberge) und einen dramatischen Blick auf die Eiger-Nordwand, in der damals ein Toter in der Wand hing. Auch die Hauptstadt Bern stand auf dem Programm.
Auf dem Feldberg
Blick vom Feldberg
Neben der Schweiz besuchten wir auch das Elsaß in Frankreich, das auf der anderen Rheinseite sehr leicht zu erreichen war. Die interessante Stadt Colmar habe ich immer noch in Erinnerung. (Colmar) Auch hier spielt Jutta jetzt wieder Schicksal, denn sie hat für das 2. Oktoberwochenende einen Kurzausflug nach Colmar geplant und unser dortiges Hotel ist schon seit längerer Zeit gebucht (vielleicht können wir dann auch die offene Umrundung des Schluchsees durchführen). Aber nun wieder zurück zu unserem Titisee-Urlaub 2008! Dieser Freitag war wirklich ausgefüllt mit Ausflügen in die Natur des Schwarzwaldes.

An unserem letzten Urlaubstag, am Samstag, den 18. Oktober 2008, wandelten wir wieder eindeutig auf alten Spuren, denn wir wollten den Rheinfall von Schaffhausen besichtigen. Dazu mußten wir mit der Bahn einen größeren Umweg zurücklegen. Damals, am Dienstag, den 18. August 1959, radelten wir nach der üblen Steigung am Titisee in Richtung Bonndorf und von dort in die Schweiz nach Schaffhausen. Auf dem Camping-Platz mußte erst einmal geklärt werden, wer einen zusätzlichen Kochtopf besorgen soll (Bernd und Jürgen hatten diesen mitgenommen). Das Los fiel auf Hans. Nach dem Kauf war er sehr verärgert, denn das Preisniveau lag um einiges höher als in Deutschland. Bei der Besichtung erlebten wir erstmals mit dem Rheinfall von Schaffhausen einen größeren Wasserfall aus der Nähe (1972 kamen die Iguazu-Wasserfälle in Südamerika und 1974 die Niagara-Fälle im Winter dazu).
Rheinfall
Rheinfall

49 Jahre später mußten wir erst einmal mit Bus und Bahn in Richtung Basel fahren. Dort stiegen wir in den Zug mit Fahrtrichtung Singen um und kamen so bis Schaffhausen. Von dort gab eine kurze Verbindung zum Rheinfall. Auf diesem Umweg waren wir über 5 Stunden unterwegs und mußten einen Differenzbetrag von 25,- Euro zahlen. Es hat sich aber gelohnt, denn der Rheinfall ist in seiner Dramatik unbeschreiblich. Damals waren wir auf der gegenüberliegenden Seite des Rheins. Müde, aber mit dem Eindruck einer wunderschönen Zeit im südlichen Schwarzwald, fuhren wir zurück zum Titisee. Wir sind uns sicher: Wir werden wiederkommen! 

Wie ging die Radtour im Sommer 1959 weiter? Am Mittwoch, den 19. August, ging es nach Konstanz am Bodensee. Leider enttäuschte uns der Camping-Platz an der Insel Mainau, denn das Wasser war sehr trübe und schlammig. In meinem Reisebericht "SKANDINAVIEN - von Kopenhagen zum Nordkap!" habe ich auch die Geschichte des Mainau-Besitzers, Graf Bernadotte, erwähnt. Nordkap-Tour

Auf der gegenüberliegenden Seite in Ludwigshafen am Bodensee fühlten wie uns wohler und blieben auf dem dortigen Camping-Platz bis zum Montag, den 24. August 1959. Die nächste Station war Ravensburg mit einem wunderschönen Camping-Platz an einem kleinen Badesee. Fast 20 Jahre später hatte ich beruflich öfters in Ravensburg zu tun, denn wir bauten bei der OMIRA-Molkerei eine neue Eindampfanlage.

In Ulm, wo wir übernachteten, bin ich mir nicht sicher, ob wir das Ulmer Münster besucht haben. Ich glaube, dass wir damals mit unseren Gedanken bereits wieder zu Hause waren. Der Weg nach Stuttgart hatte seine Gemeinheiten. Der Camping-Platz lag in der Nähe des Cannstatter Wasen am Neckar. Auf der vorletzten Etappe nach Neckarsteinach verlor ich meine Sonnenbrille. Es muß an einem der vielen Brunnen gewesen sein, an denen wir uns unterwegs gerne erfrischten. Am Samstag, den 29. August 1959, kamen wir wieder wohlbehalten in unserem Heimatdorf Brühl an. Wir hatten in 14 Tagen eine teilweise sehr strapaziöse Strecke von über 800 Kilometern zurückgelegt. Was ist aus meinen Kameraden geworden? Karl ging ins Bankfach und nahm sich vor längerer Zeit das Leben. Hans wurde Frauenarzt. Leider haben wir uns aus den Augen verloren (kürzliche Such-Recherchen waren erfolglos).


Fotos und Text: Klaus Metzger

Diesen Reisebericht finden Sie auch in meinem Buch:
"Abenteuer meines Lebens (Teil I)" (Reisen meiner Jugend)






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